Carbon reparieren
Allgemein
Teile aus Carbon sind sehr teuer, da liegt es nahe diese zu reparieren. Diverse Youtube Videos machen den Eindruck, dass dies recht einfach sei. Einfach ein bißchen 2-Komponenten Harz anmischen und eine Carbonmatte ankleben. Doch so einfach ist es nicht. Ich möchte mich nicht selber als Experte betiteln, aber ich habe so einige Sachen gelesen die ich hier aufzeigen möchte.
Risse und Beschädigungen feststellen
Risse verlaufen meist nicht in einer Linie. Mit einer Münze lässt sich durch klopfen ungefähr herausfinden, wo die schadhaften Stellen sind. In dem Bereich der Risse muss großzügig geschliffen werden, um alle Bereiche zu erfassen.
2mm tiefe kraterförmige Beschädigung im Carbon.
Ist der Schaden etwa in den oberen Schichten, kann dies mit Carbon wieder aufgefüllt werden. Dabei müssen aber viele Dinge beachtet werden. Handelt es sich nur um einen optischen Schaden oder geht dieser tief in die Struktur?
Reparaturen von Laien (auch gewerblich)
Bei Rissen werden häufig Carbonfasern als Bandage überlaminiert. Dabei verändert man jedoch die struktuelle Integrität des Materials. Der Gegenstand bricht dann womöglich nach der Bandage, weil diese zu steif ist oder die Bandage ist nicht stabil genug. Auch bei auffüllen von Löchern, werden viele Dinge nicht beachtet wie korrekte Wahl der Faser, Ausrichtung, Lufteinschlüsse und Harz. Auch bei kommerziellen Angeboten kann man sich nicht sicher sein, ob die Reparatur fachgerecht erfolgt. Selbst die Hersteller machten in der Anfangszeit von Carbon sehr viel falsch.
Schutzausrüstung
Carbonstaub ist gefährlich wenn dieser eingeatmet wird oder z.B. an die Augen oder in die Haut gelangt. Insbesondere beim schleifen mit Maschinen in Innenräumen, sollte man nicht ohne eine Absaugung mit Filter arbeiten. Handschuhe und Augenschutz ist notwendig, aber vor allem auch eine P3 Staubmaske. Die Lunge ist wie bei Asbest nicht in der Lage die Carbonfasern loszuwerden, auch wenn Asbest nochmals um einiges gefährlicher ist. Nach dem schleifen hängt der Staub noch einige Zeit in der Luft und wird am Untergrund auch ständig wieder aufgewirbelt beim kleinstem Windzug.
Anschleifen und Schäften
Damit man überhaupt eine Haftung hat, muss man die Stelle anschleifen. Raoul Luescher behauptet in einem Video (Carbon Fiber - The Truth!) das sogar das Schleifpapier und Tücher Rückstände hinterlassen können. Beim sog. anschäften wird die beschädigte Stelle in der Tiefe angeschrägt, so das eine größere kraterförmige Haftfläche wie in einem Vulkan vorhanden ist. Auf dieser Seite: https://www.r-g.de/wiki/Verarbeitungshinweise:Laminataufbau sieht man das z.B. UD CFK ein Verhältnis von 1:100 benötigt, d.h. bei einem 1mm tiefen Loch müsste man pro Seite 100mm weit anschleifen, was jedoch nicht immer möglich ist. Der Übergang muss weich sein, keine scharfen Kanten.
Auswählen der richtigen Faser
Es werden zahlreiche verschiedene Fasertypen verwendet und man sollte bei einer Reparatur unbedingt die gleiche verwenden. Das Gewicht der Faser wird in g/m² angegeben und beträgt meistens ca. 200-300g/m² bei 3k. 3k bedeutet das ein Bündel 3000 Fasern besitzt. Ein Gewicht von 200-300gm² eignet sich nicht für kleinere Stellen zum ausbessern, hier soll laut R&G sog. Gelege in UD mit 80g/m² gut geeignet sein. Wenn die Beschädigung allerdings tiefer ins Material geht, sollte man schwereres Gelege nehmen. Mit 158g benötigt man doch immerhin 8 Lagen um auf 2mm Tiefe zu kommen. Bei kleinen Stellen passiert es auch noch leicht das das Gelege beim aufbringen von Klebeband auseinander rutscht. Idealerweise sollten die Fasern auch die selbe Steifigkeit aufweisen, es dürfte aber in den meisten Fällen sehr schwierig sein herauszufinden welche Faser der Hersteller verwendet hat. Werden zu steife Fasern gewählt, könnte es sein das der Rahmen direkt nach der Klebestelle bricht, weil die Last nicht gleichmäßig verteilt wird.
Zurechtgeschnittenes Carbongelege und Abreissgewebe
Carbonfaser wird in verschiedenen Arten angeboten. Am einfachsten sind Rovings, hier gibt es nur Fasern längs in einer Richtung zu einem einzelnem dickerem Bündel geordnet. Diese gehen allerdings sehr leicht auseinender, deswegen werden Rovings wohl nur zum wickeln von Rohren oder ähnlichem verwendet. Gelege sind nichtgewebte textile Flächengebilde, deren Fasern endlos und parallel nebeneinander liegen und durch einen Nähfaden oder eine Thermofixierung in ihrer Lage festgehalten werden. Gelege gibt es u.a. als UD (unidirektional), welches oft bei Rahmen verwendet wird. Bei einem Gewebe (vgl. Teppich) sind Leinwand, Köper (Twill) gebräuchlich. Diese haben die typischen Muster, welche man mit Carbon in Zusammenhang bringt. Leinwand ist schlecht drapierbar und eher geeignet für flache Gegenstände. Köper hat schräg verlaufende Linien (+/-45°) und ist besser drapierbar als Leinwand, hat aber eine geringere Schiebefestigkeit.
Überlegungen zur Faserrichtung
Carbon ist nicht in allen Richtungen gleich stabil. Bei einer UD Faser ist das Material nur in eine Richtung stabil. Bei Rohren wird aufgrund Zug- und Druckbelastung, häufig UD in Längsrichtung zum Rohr verwendet. Während beim Tretlager, Steuerrohr, Dämpferaufnahmen auch oft Twill verwendet wird, welches in mehreren Lagen um jeweils 45° versetzt ist (also z.B. 2 Lagen Twill als 0/90° und +-45° versetzt). Dadurch ist es in mehreren Richtungen stabil. Aber auch UD kann natürlich in mehreren Lagen versetzt gelegt werden. Am Rahmen werden oft mehrere verschiedene Faserarten gleichzeitig verwendet und es ist sehr wichtig, die Ausrichtung richtig zu legen. Man sieht z.B. in Youtube Videos sehr oft, dass eine Bandage aus UD mit der Faserrichtung nicht längs zum Rohr, sondern 90° verdreht gelegt wird. Ein Rahmen hat insgesamt in etwa 5 Lagen bei einer Wandstärke von etwa 2mm. Hingegen gibt es Hochprofilfelgen, die an den Seiten teilweise mit nur 1 Lage auskommen. Details dazu u.a. in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=UWSePEV88tw
Harz
Das Harz muss dünnflüssig und langsam aushärtend sein, da schnell härtende Harze weniger Festigkeit aufweisen. Nach einer Trocknungszeit von 24h, kann man das Teil zum tempern bei ca. 40-80°C in den Ofen geben. Dazu sind die Angaben vom Hersteller des Harzes zu beachten. 80°C ist schon relativ viel, gerade wenn man nicht weiß mit welchem Epoxy das Bauteil ursprünglich verklebt wurde. Wurde ein schneller härtendes Harz verwendet, hält das Bauteil weit weniger aus. Es gibt auch Harze bei denen tempern unbedingt erforderlich ist, z.B. R&G Harz L + Härter CL. Sog. Hochtemperatur Harze, welche z.B. bei Clincher Felgen verwendet werden, sind sehr spröde und neigen schnell zum brechen. Je länger die angegebene Abbindezeit des Harzsystems, desto mehr profitiert man beim tempern. Diese werden während der Klebephase in den ersten Stunden auch weitaus weniger warm. Sollte man eine sehr große Menge anmischen z.B. 100g Harz, sollte man beachten das der Kleber wesentlich schneller hart und viel heisser wird.
Laminieren
Die Stellen müssen staub- und fettfrei sowie angeschliffen sein. Es darf keine Ecken und Kanten geben, es sollte alles schön glatt geschliffen sein. An den Stellen die nicht beklebt werden sollen, kann man mit Kreppband umwickeln damit das Harz nicht drauf läuft. Ausserdem lässt sich irrtümlich aufgeklebtes Carbon damit sehr leicht entfernen. Vorab sollte man sich im klaren sein, in welcher Richtung die Fasern verlegt werden müssen. Im Raum sollte die Luftfeuchtigkeit nicht zu hoch sein (kleiner 65%, max. 70%).
Die zu beklebende Stelle mit Harz bestreichen. In der Zwischenzeit die Fasern einpinseln. Bei einigen Webarten ist tupfen besser um das Gewebe nicht auseinander zu fleddern. UD immer in längsrichtung bestreichen. Generell immer alle Teile vorher satt tränken und überschüssiges Harz abstreifen wenn möglich. Der erste Patch wird immer über die komplette Fläche geklebt und danach falls nötig kleinere Stücke, nicht der kleinste zuerst.
Klebestelle umwickelt mit Abreissband und Tesa 4289
Eingeschlossene Luftblasen, welche die Struktur erheblich schwächen, werden in die Industrie durch Unterdruck entfernt. Dieser wird direkt in die Form oder eine "Plastiktasche" gegegeben. Zusätzlich wird von innen in den Rohren mit Plastiktüten oder Schaumstoff gearbeitet, um Gegendruck auszuüben. Im DIY Bereich kann man sich aussen damit behelfen die Stelle z.B. mit Tesa, Geschenkband oder festerem Klebeband zu umwickeln damit das überschüssige Harz austritt. Es gibt auch spezielles Hi-shrink Schrumpfband mit Löchern, welches sich beim erwärmen mit dem Heissluftfön zusammenzieht. Oder man nimmt Abreissgewebe, welches ebenfalls perforiert und preisgünstig ist. Wobei Abreissgewebe in Köper generell dicker als Leinwand ist. Nachdem man das Abreissgewebe um die Klebestelle umwickelt hat, empfiehlt es sich anschließend stabiles Klebeband z.B. Tesa 4289 zu umwickeln damit es noch strammer wird. Gilt es von innen Druck auszuüben, kann man sich mit einem Fahrradschlauch behelfen.
Wenn die zu reparierende Stelle relativ klein aber tief ist, ist es schwierig das der Stapel an Carbonfaser nicht verschoben wird, wenn man sie mit dem Band umwickelt. Dann muss man die Stelle womöglich mehrmals laminieren und immer wieder zwischenschleifen. Im folgenden Bild sieht man auch eine kleine Vertiefung nach dem kleben, die aber nur wenige Zehntel tief ist. Beim Einsatz von Klebeband lässt sich dies nur schwer vermeiden.
Bauteil nach 2maligen kleben
Tempern
HP Textiles schreibt dazu: Um eine bessere Gesamtfestigkeit von Faserverbundbauteilen und Beständigkeit gegenüber Chemikalien zu erzielen, sollten Epoxidharze einer Nachhärtung unter Wärmezufuhr („Temperung“) unterzogen werden. Durch diesen Prozess wird ein höherer Vernetzungsgrad im Polymergerüst erzielt. Die Glasübergangstemperatur (TG) als wichtigste Größe zur Beschreibung von Einsatztemperaturen der jeweiligen Bauteile nennt die Temperatur, bei der der Kunststoff deutlich erweicht.
Werden Bauteile im Produktionsprozess knapp unter dem jeweiligen TG erwärmt und diese Temperatur einige Zeit gehalten, spricht man vom Tempern oder auch Nachhärten. Vor dem Tempern muss das Bauteil klebefrei sein d.h. Epoxy sollte vorher mind. 24h bei Raumtemperatur gehärtet sein. Mit zunehmender Temperatur sind Laminate nicht mehr formstabil! Bei Temperaturen ausserhalb der Form besteht Verzuggefahr. Die Zieltemperatur sollte langsam und gleichmäßig erreicht werden (externer Hinweis: max. 20°C pro Stunde). Ebenso sollte die Abkühlung nur langsam erfolgen um inneren Spannungen zu vermeiden. Bei HP-56L werden z.B. 24h bei 23°C + 5h bei 60°C + 6h bei 80°C angegeben.
R&G schreibt dazu: Eine Temperung sollte innerhalb der nächsten Tage erfolgen. Dabei werden die Bauteile in einem geeigneten Raum verzugsfrei gelagert und langsam erwärmt. Die Temperaturerhöhung sollte 10°C pro Stunde nicht überschreiten. Wenn die Zieltemperatur (gewünschte Temperatur für die Temperung) erreicht ist, muss diese mindestens 10 Stunden gehalten werden. Für die von R&G vertriebenen Epoxydharzsysteme gilt bis zu einer gewissen Temperatur, ein Temperaturvorlauf von 30°C. Das bedeutet, dass Bauteile die z.B. bei 55°C 10 Stunden lang getempert wurden eine Wärmeformbeständigkeit von 85°C aufweisen (LF-Harz L-285). Die Temperaturstandfestigkeit wird also ca. 30°C höher als die Tempertemperatur. Der Temperaturvorlauf ist von Harzsystem zu Harzsystem unterschiedlich. Alle Harze erreichen durch eine Wärmenachbehandlung bessere Festigkeitswerte. Der Grund dafür ist der Aushärtungsgrad, der bei Raumtemperatur keine 100 %, sondern anfänglich meist nur 85 - 90 % erreicht. Dieser Wert verbessert sich zwar im Ablauf von 7 Tagen auf 90 - 95 %, kann jedoch durch höhere Härtungstemperaturen auf bis zu 100 % gesteigert werden.
Ich habe mich dafür entschieden das ganze in einem normalen Backofen zu machen, weil die Klebestelle auch relativ klein ist. Und zwar 1Std. lang auf 40°C, dann 1Std. 50°C und 10Std. 60°C. Beim abkühlen gelten auch hier wieder die 10°C pro Stunde. Die Temperaturfestigkeit des Bauteils sollte dann bei ca. 80-90°C liegen.
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